DULOXETIN

Von Benjamin Clanner-Engelshofen, Apotheker, Student der Humanmedizin

18. Januar 2017

 

Der Wirkstoff Duloxetin ist ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI – englisch „selective serotonin noradrenaline reuptake inhibitor“). Er wird zur Behandlung von Depressionen, Angststörungen, Inkontinenz und diabetischer Polyneuropathie (Nervenleiden bei Diabetes) eingesetzt. In den USA ist der Wirkstoff auch zur Behandlung der Fibromyalgie zugelassen, jedoch nicht zur Behandlung der Inkontinenz.

Hier lesen Sie alles Wissenswerte zu Duloxetin: Wirkung, Anwendung und Nebenwirkungen.

 

Wirkungsweise

Anwendungsgebiete

Richtige Anwendung

Nebenwirkungen

Wichtige Hinweise

Abgabevorschriften

Geschichte

 

So wirkt Duloxetin

Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn kommunizieren mithilfe von Botenstoffen (Neurotransmitter) miteinander: Dabei schüttet eine Zelle bestimmte Neurotransmitter aus, die dann von der nächsten Zelle durch Andockstellen (Rezeptoren) wahrgenommen werden. Weil dabei die nächste Zelle entweder gehemmt oder erregt werden kann (je nach Rezeptor und Neurotransmitter) und eine Zelle meist Verbindungen (Synapsen) zu vielen weiteren Neuronen hat, entsteht dadurch ein hochgradig komplexes Netzwerk, welches erst in den Grundzügen verstanden ist.

Dabei hat sich gezeigt, dass bestimmte Botenstoffe meist eine ganz bestimmte Wirkung hervorrufen. So kommt es bei Serotonin, landläufig als „Glückshormon“ bezeichnet, in zu niedrigen Konzentrationen zu Depressionen, in zu hohen Konzentrationen zu Psychosen und Wahnvorstellungen. Noradrenalin dagegen ist ein erregender Neurotransmitter, der für die Aktivierung bestimmter Hirnareale zuständig ist.

Um die Kommunikation der Nervenzellen untereinander genau steuern zu können, nimmt die Neurotransmitter aussendende Nervenzelle auch laufend wieder denselben auf. Dadurch wird das Signal an die nächste Zelle zeitlich begrenzt. Hemmt man diese Wiederaufnahme, wie durch die Gabe von Duloxetin, verweilen die Neurotransmitter länger an den Rezeptoren der nächsten Nervenzelle und wirken dadurch stärker. Ein Mangel von Serotonin und Noradrenalin, der sich oft als Depression oder Angststörung äußert, kann so behoben beziehungsweise positiv beeinflusst werden.

Die schmerzhemmenden Eigenschaften von Duloxetin bei der Behandlung von diabetischer Neuropathie und Fibromyalgie ergeben sich durch die Erregung von schmerzhemmenden Nervenbahnen. Dadurch kann vor allem eine übersensible Schmerzschwelle wieder normalisiert werden. Ebenso wird über eine vermehrte Stimulation des Serotonin- und Noradrenalin-Systems durch Duloxetin ein verstärkter Verschluss des Harnröhrenschließmuskels bewirkt, wodurch sich eine Belastungsinkontinenz behandeln lässt. 

 

Aufnahme, Abbau und Ausscheidung von Duloxetin

Nach der Einnahme von Duloxetin wird der Wirkstoff über den Darm ins Blutaufgenommen. Nach sechs Stunden kann man die höchsten Duloxetin-Blutspiegel messen, wobei der Wirkstoff nur zu etwa der Hälfte den großen Blutkreislauf erreicht, da er bereits direkt nach der Aufnahme teilweise in der Leber abgebaut wird. Über den Blutkreislauf erreicht der Wirkstoff Duloxetin dann das Gehirn. Die unwirksamen Abbauprodukte werden durchschnittlich innerhalb von zwölf Stunden zur Hälfte über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.

 

Wann wird Duloxetin eingesetzt?

Der Wirkstoff Duloxetin ist zugelassen zur Behandlung von:

Depressionen (sogenannte Major Depression)

Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie

Die Anwendung von Duloxetin zur Schmerzlinderung bei Fibromyalgie geschieht in Deutschland „off-label“, also außerhalb des Zulassungsbereichs.

Die Behandlung mit Duloxetin erfolgt üblicherweise längerfristig, jedoch sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob die Dosis angepasst werden muss oder die Therapie noch erforderlich ist.

 

So wird Duloxetin angewendet

Der Wirkstoff Duloxetin wird in Form von Kapseln eingenommen, die magensaftresistente Pellets enthalten und den Wirkstoff erst im Darm freisetzen. Je nach Anwendungsgebiet werden ein- bis zweimal täglich 30 bis 60 Milligramm Duloxetin eingenommen. Die maximale Tagesdosis beträgt 120 Milligramm. ZU besseren Verträglichkeit wird die Behandlung mit einer niedrigen Dosis begonnen und dann allmählich auf die erforderliche Enddosis gesteigert.

Die Kapsel wird unabhängig von den Mahlzeiten mit einem Glas Wasser eingenommen. Bei Schluckbeschwerden oder Ernährung per Sonde können die Duloxetin-Pellets auch suspendiert in Wasser eingenommen werden, dürfen jedoch auf keinen Fall gekaut werden.

Zum Beenden der Therapie sollte die Duloxetin-Dosis langsam reduziert werden (sogenanntes „Ausschleichen“ der Dosierung), da sonst schwere Nebenwirkungen auftreten können.

 

Welche Nebenwirkungen hat Duloxetin?

Duloxetin-Nebenwirkungen treten meist verstärkt zu Beginn der Behandlung auf und bessern sich mit der Zeit. Bei mehr als zehn Prozent der Behandelten kommt es zu Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schläfrigkeit, Übelkeit und Mundtrockenheit.

Etwa einer von zehn bis hundert Patienten berichtet von vermindertem Appetit, Schlaflosigkeit, Angst, verminderter sexueller Lust (Libido) und Erektiler Dysfunktion (Impotenz), Schwindel, Zittern, Herzklopfen, Ohrgeräuschen, unscharfem Sehen, erhöhtem Blutdruck, Verdauungsbeschwerden und Bauchschmerzen, Schwitzen, Ausschlag, Muskelschmerzen und -krämpfen, Gewichtsabnahme und Harnverhalt.

 

Was ist bei der Einnahme von Duloxetin zu beachten?

Der Abbau von Duloxetin in der Leber erfolgt über bestimmte Enzyme (Cytochrom P450 1A2 und 2D6), die auch noch weitere Arzneistoffe abbauen. Werden diese gleichzeitig eingenommen, kann es zu erhöhten oder erniedrigten Blutspiegeln der einzelnen Wirkstoffe kommen. Das gilt zum Beispiel für Antidepressiva wie Fluvoxamin, Amitryptilin, Imipramin und Desipramin, Mittel gegen eine überaktive Blase wie Tolterodin und Mittel zur Behandlung von Psychosen und Schizophreniewie Risperidon.

Raucher bauen Duloxetin schneller ab als Nichtraucher.

Arzneimittel, welche die Serotonin-Konzentration im Gehirn steigern, sollten nicht mit Duloxetin kombiniert werden, da es sonst zu einem lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom kommen kann. Zu den betreffenden Arzneimitteln zählen Antidepressiva vom Typ MAO-Hemmer (wie Moclobemid oder Tranylcypromin), andere Antidepressiva, Johanniskraut-Präparate, Migräne-Medikamente (wie Sumatriptanund Naratriptan), starke Schmerzmittel (Opioide wie Tramadol, Fentanyl und Pethidin) und Serotonin-Vorläufer wie Tryptophan und 5-Hydroxytryptophan (5-HTP).

Bei der Kombination von Duloxetin mit Gerinnungshemmern wie Phenprocoumon, Warfarin und ASS/Acetylsalicylsäure kann sich die Blutgerinnungszeit ändern, weshalb diese engmaschig überwacht werden sollte. Eventuell muss die Dosierung der Gerinnungshemmer angepasst werden.

Wie viele andere Antidepressiva kann Duloxetin zu einem erhöhten Suizidrisiko führen, besonders bei Jugendlichen. Aus diesem Grund ist Duloxetin erst ab 18 Jahren zugelassen und sollte bei Patienten mit entsprechender Neigung nicht oder nur unter ärztlicher Überwachung angewendet werden.

Patienten mit einer eingeschränkten Leber- oder Nierenfunktion empfiehlt sich eine reduzierte Duloxetin-Dosierung.

Duloxetin darf nicht in der Schwangerschaft und Stillzeit genommen werden, da es das Kind schädigen kann.

 

So erhalten Sie Medikamente mit Duloxetin

Präparate mit Duloxetin sind in jeder Dosierung und zu jedem Anwendungszweck rezeptpflichtig.

Seit wann ist Duloxetin bekannt?

Das Antidepressivum Duloxetin wurde von Wissenschaftlern der Pharmafirma Eli Lilly and Company entwickelt und 1986 zum Patent angemeldet, das 1990 erteilt wurde. Die Erstzulassung wurde 2004 in den USA erteilt, später im selben Jahr dann auch in Deutschland. Anfang 2014 lief das Patent aus. Seitdem kamen mehrere Generika mit dem Wirkstoff Duloxetin auf den Markt.

 

https://www.netdoktor.de/medikamente/duloxetin/